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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Ein Loblied auf die stummen Erzähler

Bäume


Bild: Uli
 (© Eckdose)

Zu viele von ihnen lassen uns manchmal den Wald nicht sehen. Landschaften ohne sie dagegen wirken auf uns befremdlich. Island etwa, das kaum mehr als Krüppelhölzer aufweist. Manche Gegenden sind allein durch ihren Bewuchs charakteristisch und unverkennbar. Die Flurbereinigungen der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in weiten Teilen Deutschlands haben manches Heimatgefühl vernichtet. Bachläufe verschwanden – und mit ihnen die markierenden Pappelzüge. Alleen wurden verbreitert – und die Lindenbestände mussten weichen.

Mehr noch als Gebäude sind Bäume Anzeiger menschlicher Besiedlung und Nutzung. Mehr noch als Straßen- und Häuserzüge geben Baumbestände Landschaften ihre Identität. Wer schon einmal von Anhöhen auf Täler hinabgesehen hat, versteht, was gemeint ist. Während Bäume aufgrund ihrer Größe weithin sichtbar sind, ist eine Straße bereits nach der nächstbesten Erhebung verschwunden. Bachläufe lassen sich auch ohne ein sichtbares Nass verorten. Städte und Höfe erscheinen von Bäumen umsäumt. Obstwiesen liegen meist näher an Ortschaften als die Baum-befreiten Felder. Unfruchtbare Böden sind von Forstbeständen bewachsen. An der Baumart lässt sich zusätzlich die geologische Beschaffenheit und die Niederschlagsmenge ablesen.

Ein Urlaub in den Tiefebenen des deutschen Nordens lässt die Kiefernwälder einprägen. Im Süden dagegen sind diese stark harzig duftenden, schlanken Nadelbäume kaum anzutreffen. Da herrschen Buchen- und Fichtenwälder vor. Erstaunlicherweise sind aber die Auen entlang der Regnitz bei Nürnberg übersät von Kiefernwald. Bäume sprechen, auch hier. Kiefern mögen sandigen Boden. Wo im Norden die Gletscher der Eiszeit den Sand in die Ebenen geschoben haben, hat im Süden der Fluss die fränkische Schweiz zerschnitten und das zermalmte Gestein in flachen Osten Mittelfrankens abgelagert. Baugruben liefern den Beweis.

Wer geologisch uninteressiert und heimatlich ungebunden ist, muss dennoch die Bäume nicht verwerfen. Mythologisch ist deren Rolle ebenfalls gigantisch. Sehr viele Schöpfungs- und Urgeschichten kennen einen Weltenbaum. Die alten Germanen sahen in der Mitte der Welt beispielsweise die Weltenesche Yggdrasil stehen. An seinen „Etagen“ ordneten sie die Reiche der Welt. Unter den Wurzeln das Totenreich Hel, in seinen Wurzeln das Reich der Erdvölker, Trolle und Zwerge wohnen zum Beispiel hier. Im Bereich des Stammes leben die Menschen auf der Oberfläche. Seine Krone ist auf einer Ebene mit Asgard, dem Götterhimmel. Dort findet sich auch die Walhalla, die Wohnstatt der Helden und Recken aller Geschichte.

Ein Modell eines solchen Weltenbaumes kann in der kasachischen Hauptstadt Astana gesehen werden. Der Schöpfungssage des zentralasiatischen Volkes nach legte der Schöpfungsvogel ein Ei in die Krone des Baumes. Sir Norman Forster hat einen Glasbaum konstruiert, der nun Wahrzeichen der Stadt ist.

Längst nicht so schön wie echte, lebendige Bäume ist dieses Baumwerk der nachsowjetischen Ära. Die Bäume im Draußen sprechen Geschichten, haben ihren Charakter und ihre eigene Ausstrahlung. So oft waren Bäume Quelle von Ideen und Inspiration. Man denke nur an den Feigenbaum Siddharta Gautamas, unter dem ihm die Erleuchtung kam. Die Bibel kennt im Paradies den Baum der Erkenntnis und den Baum des Lebens. Erkenntnis brachte auch der legendäre Apfelbaum Sir Isaac Newtons, der bei einem Verdauungsschläfchen des Forschers einen wurmigen Apfel hinabwarf.

Bäume mögen zwar nicht reden können – aber erzählen, das können sie.

Uli in Philosophie am 27.03.2010 um 10.00 Uhr

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