Zur Startseite Eck.Dose

Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

Der Blog des Goldseelchen-Verlags



Was für eine Rolle spielt es, ob ein Gemälde, das Menschen bewundern, echt oder falsch ist?

Original oder perfekte Fälschung


Bild: T.Urban
 (© Eckdose)

Das Großprojekt „Wissenschaft im Dialog“ mit seiner Internetplattform wurde nach Eigenaussage 1999 von den führenden Wissenschaftsorganisationen gegründet. Es versteht sich gemäß seiner Namensgebung als Dialogform, um Erkenntnisse der Wissenschaft an Menschen aller Couleur zu vermitteln, Diskussionen anzustoßen und potenziellen Nachwuchs für die Wissenschaft zu gewinnen. Unter der Rubrik „Wie?So!“ können neugierige Leser/innen Fragen an die Wissenschaft stellen (Geistes- und Sozialwissenschaften, Naturwissenschaft/Mathematik, Technik). Daraufhin werden Wissenschaftler/innen angefragt, die diese dann nach bestem Wissen zu beantworten suchen. Eine eingegangene Frage ist mir besonders ins Auge gesprungen:

Was für eine Rolle spielt es, ob ein Gemälde, das Menschen bewundern, echt oder falsch ist?

Die Frage wurde erstaunlich knapp und präzise von Matthias Henkel beantwortet (Leiter der Abteilung Presse – Kommunikation – Sponsoring der Staatlichen Museen zu Berlin und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz):

Die Entstehungsbedingungen eines Kunstwerkes sind vitaler Bestandteil des Werkes. Dazu gehört selbstverständlich auch eine authentische Urheberschaft. Eine Fälschung – und sei sie technisch noch so gut – besitzt nicht den Aspekt des künstlerischen Schaffensprozesses und kann deshalb auch niemals einen gleichwertigen Rang haben.

Die Antwort besticht in ihrer Kürze und Klarheit; in ihrer Naivität und Unkenntnis philosophischer Debatten ebenso. So dokumentiert der 2006 bei Suhrkamp erschienene Aufsatzband „Fälschung. Zu Autorschaft und Beweis in Wissenschaften und Künsten“, herausgegeben von Anne-Kathrin Reulecke: Die „Fälschung“ ist die gegenwärtig größte Herausforderung und Definitionsgeberin für die Kunsttheorie – erst recht im Zeitalter der digitalen Reproduktion. Der Philosoph Nelson Goodman entwarf das kluge Gedankenexperiment, ob es überhaupt einen ästhetischen Unterschied zwischen zwei Gemälden gäbe, die sich nicht vom Betrachter unterscheiden ließen. Die Pointe dieser Überlegung ist, dass der Betrachter zum Zeitpunkt des Betrachtens nicht weiß, was die Fälschung ist. Dass wir etwas als „unecht“ brandmarken, geschieht immer nur nachträglich als Revision eines vorherigen Urteils („Languages of Art: An Approach to a Theory of Symbols“). Die Frage des Fragestellers ist also keineswegs banal. Mir ist nicht bekannt, wem wir diese Frage zu verdanken haben, aber das spielt vermutlich auch keine Rolle. Entscheidend ist aber: Die Frage ist trotz ihrer scheinbaren Banalität höchst anspruchsvoll. Matthias Henkel unterstellt in seiner Antwort anscheinend eben jene Banalität, die nun auf ihn selbst zurückzufallen scheint.

Artikel-Seite:
123

T.Urban in Kunstkultur am 07.02.2011 um 02.15 Uhr


Text von https://eckdose.de?art=214 . Alle Rechte vorbehalten.