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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Eine Fabel

Der Regenwurm und die Amsel


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

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Da hörte er ein fröhliches Lied, das auf einem Busch in der Nähe gesungen wurde. Sofort erkannte der Regenwurm die Amsel. Allein schon die helle Stimme gab ihm das Gefühl, dass es gleich vorbei sei mit ihm. Panisch versuchte er, nach unten zu kommen. Dabei kroch er aber nur einmal unter sich selbst hindurch und zog sich zu einem dicken Knoten.

„Oh, du armer Wurm“, säuselte die Amsel, die neben ihm gelandet war. „Du bist ja schon fast ganz ausgetrocknet.“

„Wenn du mich jetzt frisst, wirst du an meinem Knoten ersticken.“, drohte der Regenwurm, der plötzlich nur noch Mut und gar keine Angst spürte. Die Amsel stellte sich so, dass sie die Sonne abschirmte und ihr dunkler Schatten auf das gekrümmte Wesen fiel.

„Keine Angst. Ich will dich nicht fressen.“, sagte die Amsel. „Ich habe gar keinen Hunger. Ich soll dir nur sagen, dass du nicht immer nur nach oben und unten, sondern auch mal nach links und rechts sehen sollst, wenn du aus der Sonne gehen willst.“

„Ich glaube dir kein Wort.“, rief der Regenwurm und zog seinen Knoten fester. „Vorhin kam schon so ein stinkender Mistkäfer, der mir das erzählt hat. Und überhaupt: Wer will dir denn gesagt haben, dass du mir so was sagen sollst?“

„Du, ich war gerade an der frisch gefüllten Vogeltränke und wollte ein kühles Bad nehmen. Da sagte der liebe Gott zu mir: ‚Amsel, baden kannst du auch später! Flieg sofort zur Straße und sag dem Wurm, er soll auch mal nach links und rechts gehen, damit er nicht in der Sonne vertrocknet.’“

„Und das soll ich dir glauben? Du willst doch nur, dass ich meinen Knoten löse, dass du mich fressen kannst. Ich bleibe lieber hier, und vergrabe mich.“

„Pass mal auf“, sagte die Amsel sanft, „ich gehe dort hinüber an den Straßenrand. Dort setze ich mich hin und bewege mich nicht weg, bis du an den anderen Rand gekrochen bist. Das ist deine letzte Chance, wenn du nicht vertrocknen möchtest. Ich verspreche dir, ich fresse dich nicht.“

Wie sie es versprochen hatte, hüpfte die Amsel zur anderen Straßenseite. Der kleine Regenwurm senkte diesmal nicht seinen Kopf, sondern blickte ihr hinterher. Tatsächlich: Sie blieb dort am Wiesenrand sitzen und bewegte sich nicht. Der Regenwurm sah jetzt auch in die andere Richtung, blickte sich nach links und rechts um. Dort war ja auch das Gras! Und dort war auch ganz sicher Erde, in die er sich versenken konnte!

Vielleicht hatte der Mistkäfer ja doch Recht gehabt. Vielleicht war die Amsel ja wirklich von Gott geschickt worden, ihm den Weg aufzuzeigen.

Nicht lange musste der kleine Regenwurm überlegen, denn kaum war die Amsel fortgehüpft, strahlte die Sonne wieder mit ihrer ganzen Hitze auf den Boden. Die Überlegung war gar nicht mehr schwer. Der Regenwurm löste seinen Knoten, sah nach links und rechts und kroch zu seiner Wiese. Auf der feuchten Erde angekommen, fühlte er sich wieder ganz frisch.

Erleichtert senkte er den Kopf und bohrte sich in die Tiefe.

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Uli in Lebenskunde am 16.07.2014 um 21.21 Uhr

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