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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Unfertiger Essay über eine unbekannte Größe

Das unbekannte Nächste


Bild: Uli
 (© Eckdose)

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und gestern Nachmittag war ich bei Tante Gerda zum Kaffeetrinken eingeladen. Was aber wird als nächstes sein? Ich weiß es nicht. Nichts liegt mir näher, als die Vergangenheit. Alle Geschehnisse, die bis jetzt eingetreten sind, kann ich betrachten. Ich kann sie in die Hand nehmen. Dort kann ich sie drehen und wenden. Das, was bereits passiert ist, entzieht sich mir nicht.

So kann ich auch etwas lesen und hören über die Schöpfung oder den Anfang aller Dinge. Egal ist es dabei, ob es sich um beschriebene Glaubensaussagen handelt oder Theorien aus beobachteter Natur.

Schlage ich ein Physikbuch auf, kann ich vom Urknall lesen. In klaren Aussagen beschreibt mir der Naturwissenschaftler, was wann zu welcher Zeit wie geschehen ist. Schließe ich die Augen, sehe ich dann die große Explosion aus dem Nichts. Ich kann nach-vollziehen, wie sich die Gaswolken wabernd auseinanderbewegen, feste Klumpen sich bilden und Sterne beginnen zu glühen.

Denke ich an gestern Nachmittag, habe ich den Ablauf ebenso im Blick. Ich sehe mich wie ich meine Schuhe binde. Das Zuklappen der Autotüre hallt in meinen Ohren nach. Dann spüre ich in Gedanken die Schritte zu Tante Gerdas Haustüre. Ich höre, wie die Türglocke läutet und Tante Gerda mich freundlich begrüßt. Und dann fällt mir ein, dass der Kaffee viel zu schwach war, ich keinen Zucker erhalten habe und Tante Gerda zu viel erzählt hat.

Beide Beispiele sind frei gewählt. Sie erzählen von Ereignissen, die zurückliegen oder zurückliegen sollen. Das eine Beispiel hat sich jemand überlegt, um den Anfang alles Seins zu erklären. Das andere Beispiel habe ich gestern Nachmittag erlebt. Ich könnte mich auch erinnern an den Abend im Kino oder den Vormittag an der Warteschlange im Supermarkt. Aber ich könnte mich nicht erinnern, was als nächstes kommt.

„Was wird das böse Wesen als nächstes tun?“ fragt ein entsetztes Schneewittchen im Klamauk-Märchen-Film „Der Wald ist nicht genug“, als Rumpelstilzchen den Raum verlassen hat. Trocken bemerkt Hofdiener Spliss, es werde merken, dass es in der Besenkammer stehe und gleich wieder herauskommen. Prompt tritt ein peinlich berührter Bösewicht wieder hervor.

So einfach und klar ist unser Nächstes aber nicht. Es ist weder bestimmbar noch so sicher wie etwas Vergangenes vorstellbar ist. Dem Begriff haften deswegen unüberwindbar die schwammigen Züge des Unbekannten an. Wenn ich also erzähle, was ich als nächstes tun werde, dann tauchen zwar vielleicht Bilder meiner nächsten Handlung auf. Sage ich etwa, ich werde Tante Gerda anrufen, kann ich mir gut vorstellen, wie ich mich vorbeuge und zum Telefon greife. Aber dass ich es tatsächlich tun werde ist nicht gewiss. Tante Gerda könnte auch ihrerseits telefonieren oder außer Haus sein. Das Nächste besteht schließlich aus unzähligen Möglichkeiten.

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Uli in Philosophie am 30.05.2010 um 16.52 Uhr

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