Zur Startseite Eck.Dose

Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

Der Blog des Goldseelchen-Verlags

Nachdenken über konstruierte Umwelten

Wie erschaffe ich meine Welt?


Bild: Uli
 (© Eckdose)

Seite 2 von 2

Wer hat jetzt die wahre Information erhalten, wer nicht? Das ursprüngliche Weltbild der Kollegen beruhte auf den Meldungen eines bislang verlässlichen Senders. Eine Minderheit kann argumentativ die Verlässlichkeit hinterfragen und die Mehrheit von einer verfälschten Wahrheit überzeugen. Hier wurde eine Welt geschaffen, die zwar nicht physisch existent, doch aber die ideell-vorhandene Welt für Fuchsberger et al bildet.

Beispiel Zwei: Frau Rose ist geschieden. Nach ihrer Scheidung wuchsen ihre zwei Söhne alleine auf. Weil es gegen ihren Stolz ging, hat sie trotz prekärer Lage nie soziale Leistungen der Öffentlichkeit in Anspruch genommen. Statt dessen war sie ganztags arbeiten. Die Söhne waren seit dem Alter von vier und sieben Jahren nachmittags alleine zu Hause. Wenn Frau Rose von der Arbeit zurück kam, war sie müde. Müde hatte sie keine Lust zu kochen. Sie brachte Fastfood auf dem Heimweg mit. Der ältere Sohn glänzte in der Schule und schrieb gute Noten, der jüngere Sohn hatte seine Probleme, mogelte sich aber durch. Die einzige Zeit, die Frau Rose mit ihren Söhnen verbrachte, war vor dem Fernseher, wo sie, zur Erholung, bis 22 Uhr das ganze Programm durchsah.

Beide Söhne sind mittlerweile erwachsen. Der jüngere Sohn hat mit 16 das Gymnasium abgebrochen und eine Lehre begonnen. Seither verdient er sein eigenes Geld. Weil er sich von seiner Mutter im Stich gelassen fühlte, hat er den Kontakt abgebrochen. Der ältere Sohn hat ein sehr gutes Abitur geschrieben und studiert nun mithilfe eines Stipendiums. Im Gegensatz zu seinem Bruder hat er seine Mutter durchschaut und harte Worte des Vorwurfs stets vermieden. Er hält einen guten Kontakt, jedoch auf seine Kosten, indem er die Vorstellungen seiner Mutter nicht richtig stellt.

Frau Rose glaubt, sie hätte beide Söhne genau gleich erzogen. Sie fragt sich, wie es denn passieren konnte, dass der jüngere Sohn so undankbar sei. In ihrer Vorstellung hat sie ihre Söhne vor dem Vater und einer zerrütteten Familie gerettet. Sie war es, so glaubt sie, die beiden eine höhere Schulbildung als sich selbst ermöglicht habe. Als ihr irgendwann der ältere Sohn seine Sicht auf den Alltag aus Kindheit und Jugend berichtet, reagiert sie verletzt. Sie fühlt sich ungerechtfertigt mit falschen Vorwürfen konfrontiert. Aus der Sicht Frau Roses sieht der Ältere – wohl aus Eifersucht auf den bereits verdienenden Jüngeren – seine Kindheit nur noch in schwarzen Farben. Sie interpretiert seine (die eigene wahrgenommene Wahrheit darstellenden) Aussagen als spätpubertäres Verhalten und nimmt ihm fortan die „gemeinen Lügen“ übel.

Wer hat in diesem Fall nun recht? Ist Frau Rose tatsächlich zu Recht kritisiert worden? Das Beispiel zeigt eine Selbstlüge aus Schutz. Aus Angst, ihr eigenes Fehlverhalten oder Versagen einzugestehen, hat Frau Rose Fehler und negative Erfahrungen verdrängt. Es wird die Vergangenheit in einem idealisierten Licht gesehen. Anderen, die mit ihr Situationen be- und verarbeiten möchten, wird vorgeworfen, alles schwarz zu malen und negativ zu sehen. Die eigene Welt ist so stark konstruiert und der Mensch hat so sehr seine sehr subjektive Wahrheit mit der Wirklichkeit verwechselt, dass sein Gegenüber mit anderen Wahrheiten, möglicherweise nur minimal abweichenden Bewertungen gemeinsam erlebter Situationen, als feindselig erlebt wird.

So ist das spielerische Erschaffen einer Welt, wie es Pippi Langstrumpf besingt, eigentlich kein leichtes Thema. Täglich werden neue Welten geschaffen, täglich neue Wirklichkeiten konstruiert. Wir prallen mit unserer veränderten und beengten Weltsicht auf Mitmenschen mit ebenso veränderter und beengter Weltsicht. Auf dieser Basis wird Zusammenleben schwierig und eine Geschichte, die Geschehnisse erzählt, zur puren Märchenstunde. Jeder Mensch, ob er möchte oder nicht, erschafft sich seine Welt. Dessen sollte er sich klar sein. Wir sind Pippi Langstrumpf.

Artikel-Seite:
12

Uli in Philosophie am 13.02.2010 um 21.27 Uhr

Werkzeuge:  |  

Auch ansehen:

Kommentar verfassen

 

Damit wir auch wissen, dass Du ein Mensch bist, musst Du unten in das Feld „Sicherheits-Code“ bitte noch die Buchstaben oder Zahlen aus dem Bild links abtippen.

Die Felder mit * sind verpflichtend.

Datenschutz-Hinweis: Alle Daten, die in dieses Formular eingetragen werden, können auf dieser Seite als Einträge angezeigt werden. Zusätzlich werden IP-Adresse und Zeitpunkt der Übermittlung in einer Datenbank gespeichert, um im Falle strafrechtlich relevanter Eintragungen die Herkunft nachweisen zu können.