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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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„Die kommenden Tage“ versinken im eigenen Unvermögen

Verbaute Zukunft


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Fotograf: Uli
 (© Eckdose)

Eine Zukunft, wie man sie sich nicht vorstellen kann. Weit weggerückt ist die Jahreszahl. Zu befremdend wirken die Erfindungen, wie sie vorausgesetzt sind. Orte, Straßen, Gewohnheiten machen klar, dass die dargestellte Zeit eines Science-Fiction-Filmes mit mir nichts gemein hat. Es ist ja nur ein Film, sage ich mir dann – und verlasse als Unbeteiligter ohne nachhallende Gedanken das Kino.

Was aber, wenn die dargestellte Zukunft in zwei Jahren beginnt, einen Raum von acht Jahren abdeckt und die Lebensphasen der Figuren sich mit meiner decken? Wenn die Erfindungen keine fliegenden Autos im Jahr 2020 umfassen? Wenn aufgrund Ölknappheit die überwiegenden Fahrzeuge Smart-ähnliche Elektroautos sind, die schon jetzt als Prototyp existieren? Wenn, kurzum, die Zukunft so nah, der jetzigen Zeit so ähnlich, aber durch Detailliebe doch realistisch fortgeschritten ist – dann stört den Kino-Gänger, dass die eigene Zukunft so düster und ohne Perspektiven verbaut ist.

Die Rede ist von Lars Krauses Kino-Fernseh-Produktion „Die kommenden Tage“. Name ist Programm, zugleich auch Wort des ersten Satzes der Hauptfigur Laura Kuper (Bernadette Heerwagen): „Das Wetter soll ziemlich kühl werden, die kommenden Tage.“ In einer Szene im Jahr 2020 überschreitet die Frau Anfang 30 mit ihrem 14 Monate alten Sohn Johann die Grenzmauer an den Alpen. Mauer an den Alpen? Der Zuschauer erfährt in den folgenden hundert Minuten, wie es zu dieser Mauer an den Alpen gekommen ist.

Im Jahr 2012 beginnt das Kriegs-Familien-Drama um die zwei Schwestern Laura und Cecilia (Johanna Wokalek). Beide studieren in Berlin. Gemeinsam mit Cecilias Freund Konstantin (August Diehl) erfährt Laura vom Ausbruch des vierten Golfkriegs, da Islamisten gegen das „verhasste saudische Könighaus“ in Arabien geputscht hätten – die USA ihren Bündnispflichten nachgekommen seien und so der Golf im Chaos versinkt. Die äußeren Umstände entfalten sich während des Filmes in weitere Details. Mit kurzen Nachrichtenansagen wird neben der zentralen Handlung berichtet, dass der Krieg sich weltweit ausweitet, die EU kollabiert, die Globalisation mehr und mehr scheitert und sich Rest-Europa gegen afrikanische Flüchtlinge schützt, indem entlang der Alpen eine bewachte Abwehrmauer errichtet wird. Südlich davon ist die „Zivilisation am Ende“.

Obwohl anscheinend der Krieg das Leben und die Sicherheit bedroht, tut das dem technischen Fortschritt keinen Abbruch. Es herrscht zwar ein Kampf aller gegen alle, doch ist, um die filmische Zukunft zukunftsfähig zu machen, nicht auf den scheinrealistischen Einbau von Glasbildschirmen à là „Minority Report“ in der Staatsbibliothek verzichtet worden. Detailliebe an den falschen Stellen gibt schon nach einigen Minuten einen faden Beigeschmack der Fremdheit. Das Berlin, in dem die meisten Szenen spielen, ist nicht das Berlin der Zukunft und auch nicht der Gegenwart. Zu unstimmig sind die Einstellungen, ist das Straßenleben, ist die Umgebung. Bilder mit Wiedererkennungswert fehlen. Kein Wunder, denn Köln und Düsseldorf mussten die Hauptstadt mimen.

In der Kernhandlung werden verschiedene Optionen im Umgang mit der untergehenden vertrauten Lebensweise präsentiert. Konstantin, ein linksradikaler Aktivist, schließt sich der Terrororganisation „(die schwarzen) Stürme“ an. Sie möchten den Untergang der Zivilisation beschleunigen, legen das Internet lahm, vergiften Politiker oder erschießen im Polizeikostüm Demonstranten bei Anti-Kriegs-Demos. Cecilia, die anfangs als hirnloses Flittchen erscheint und am Ende als gebrochene Schönheit im Gefängnis sitzt, wird von Konstantin mit in die Szene gezogen. Als Mitläuferin führt sie wie alle Konspiranten ein „bürgerliches“ Doppelleben. Das mache angeblich die Enttarnung so schwer.

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Uli in Kunstkultur am 13.11.2010 um 15.58 Uhr

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