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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Nachdenken über Wahrscheinlichkeiten

Zufall, Unfall, Unsinn


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Bild: sophie
 (© Eckdose)

Ein Mensch geht gedankenverloren durch eine Stadt. Den Weg auf dieser Straße geht er jede Woche. Es gibt wenig zu beachten. Hin und wieder kommt jemand auf dem Weg entgegen oder eilt schnelleren Schrittes vorbei. Doch der Mensch stößt nicht mit anderen zusammen. Denn auch wenn er in Gedanken verloren ist, nimmt er die Anderen noch soweit wahr, dass er ausweichen kann. Er findet die Strecke im Schlaf, wie man sagt.

An diesem Tag ist es etwas anders. Von einer Baustelle überdröhnen laute Presslufthammer alle Geräusche, die man vom Weg hören könnte. Plötzlich kommt es zu einem Zwischenfall: Diagonal queren den Weg Straßenbahngleise. In dem Augenblick, als der Mensch sie queren wird, nähert sich von schräg hinter ihm unbemerkt die Straßenbahn. Der Mensch kann die Straßenbahn nicht wahrnehmen, es ist zu laut und er zu unachtsam. Auf einmal weicht er aber ohne merkliche äußere Einflüsse ab, biegt direkt fort von den Straßenbahngleisen.

Vielleicht ist die Straßenbahnfahrerin abgelenkt durch Geschehnisse auf der anderen Seite, jedenfalls zieht sie weder Warnsignal noch Bremse. Es wäre eine Katastrophe geworden, für den Menschen das irdische Ende und für die Straßenbahnfahrerin der Zeitpunkt, den sie nie wieder würde vergessen können. Aber es kommt nicht zur Katastrophe aus Ablenkung und Alltagstrott. Der Mensch erschrickt furchtbar, sonst passiert aber nichts. Dass der Mensch zufällig abgewichen ist, verhindert die Katastrophe.

Gegen die Wahrscheinlichkeit

Es fällt schwer, an Zufall zu glauben, wenn man diese Beispielgeschichte hört und andere Momente gehört oder erlebt hat, von plötzlichem Bremsen oder „so einem Gefühl“. Man könnte für unser Beispiel Wahrscheinlichkeiten berechnen, wenn man die Zahl der Menschen nimmt, die den Weg entlanggehen, die Zahl der Straßenbahnen nimmt, die diese Strecke fahren, den Lärm von Baustellen und die hohe Anzahl von unaufmerksamen Augenblicken. Man würde mit einer klugen Formel eine Zahl der wahrscheinlichen Unfälle erhalten. Aber diese Zahl würde nichts aussagen und brächte höchstens Verkehrssicherheitszuständigen einen Maßstab, wo an der Sicherheit noch geschraubt werden muss.

Der Mensch, der in Gedanken verloren seinen Weg geht, fragt sich, warum so oft nichts passiert, wo es doch wahrscheinlicher wäre, dass etwas passiert.

Es gibt auch andere Fälle. Ein Mensch trifft in einer kurzen Zeit alle Freunde und Verwandten, telefoniert mit denen, die er nicht persönlich treffen kann. Direkt danach stirbt er, von außen unerwartbar, bei einem Verkehrsunfall. Der Unfall ist schon vom Namen her etwas, das in unser Leben fällt, auf uns zufällt, was nicht eintreten sollte. Wie kann dieser Mensch es wissen? Ist es wirklich Zufall, dass er so etwas wie eine Abschiedsrunde durchführt?

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Uli in Philosophie am 09.05.2020 um 17.20 Uhr


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