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Wenn die Kanzlerin nicht mehr von „Solidarität“ spricht

Appell an den Egoismus


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Bild: pixabay / dianakuehn30010
 (alle Rechte vorbehalten)

In kaum einem Jahr wurde der Begriff „Solidarität“ so strapaziert wie in diesem. Gemeinschaftsideologien wurden heraufbeschworen, vom Schutz der Schwachen geredet und davon, dass es die Pflicht solidarischer Bürgerinnen und Bürger sei, dabei Verantwortung zu tragen. Diese Zeit ist nun vorbei. Der Egoismus ist da.

Am Samstag, 17 Oktober 2020, wendet sich Angela Merkel mit einem Appell an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger. Gut drei Minuten lang schwört sie die Bevölkerung auf eine schwierige Zeit ein und tut dies nach eigenen Angaben mit einer persönlichen „Überzeugung“. Nachdem die Bundeskanzlerin gebotene Handlungsmöglichkeiten aufzählt, um das Corona-Virus an seiner Ausbreitung zu hindern, beginnt sie mit der Argumentation, wieso nun der einzelne Mitbürger respektive die einzelne Mitbürgerin diese Handlungsmöglichkeit eigentlich für sich auch ergreifen sollte. „Ja, wieso eigentlich?“ – dem aufgeklärten in westlicher Demokratie lebenden Menschen muss das schon mal aus Prinzip begründet werden.

Nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate mag man sich als Zuhörerin darauf gefasst machen, dass nun wieder der Appell an den Gemeinschaftssinn folgt: „Wir schaffen das!“ und seine Folgen. Aber nein: Keine Gemeinschaft, keine Solidarität und kein Schutz der Schwächsten sollen den Bürgerinnen und Bürger nun Argument und Anlass für Begegnungs- und Reiseverzicht sein. Die Kanzlerin argumentiert für den abverlangten „schwere[n] Verzicht“ nicht mehr mit sozialen Verweisen.

„[L]etztlich für uns selbst“ soll der Verzicht in Kauf genommen werden. Weil es dem eigenen egoistischen Interesse entspricht, sollen Kitas und Schulen weiterhin die Kinder verwahren können. Weil es dem eigenen egoistischen Interesse entspricht, soll die Wirtschaft erhalten, der Betrieb und der eigene Arbeitsplatz erhalten bleiben. Weil es letztlich dem eigenen Interesse entspricht, soll die eigene Gesundheit geschützt werden und man sich auch nicht dem schlechten Gewissen aussetzen müssen, eine andere Person infiziert zu haben. So kann es dem Duktus der Kurzansprache entnommen werden. Von „Solidarität“ und „Gemeinschaft“ ist kein einziges Mal mehr die Rede. Die Argumentation steht verglichen mit dem Frühjahr völlig Kopf.

Was ist passiert? Kann man den Appell an Solidarität nur einmal verpulvern und seit dem Frühjahr ist der Effekt verpufft? Hat man gemerkt, dass Solidarität ein Abstraktum ist, das mit der Lebenswirklichkeit und den Maßstäben, nach denen Menschen handeln, noch nie etwas zu tun hatte, dass „Solidarität“ also schlicht nicht konsensfähig ist? Hat es der säkulare Staat in kommunitaristischer Rede mal mit Ideologie versucht und festgestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger längst ideologisch abgestumpft sind? Der Egoismus hat Einzug gehalten. Im Appell der Kanzlerin wird er zum neuen Argument, wenn Gemeinsinn in der Argumentation nicht mehr trägt und vielleicht sogar noch nie getragen hat.

Und dann ist da noch eine entscheidende Frage: Wie wird sich eine Gesellschaft entwickeln, in der alle Sozialkontakte minimiert und gleichzeitig der Egoismus als Handlungsmaxime ganz offen seitens der Regierung propagiert wird?

sophie in Gesellschaft am 17.10.2020 um 14.14 Uhr

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