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Polizeigesetz in Baden-Württemberg soll gefährliche Software nachträglich legalisieren

Haltung gegen Palantir

Ein etwa vier Meter hohes Holzmodell steht auf einem mit quadratischen Platten gepflasterten Platz. Es hat die abstrakte Form eines Pferdes mit säulenhaften, runden Beinen und einem trichterförmigen Kopf. Die Mähne ist aus brauner Wolle. Das Pferdmodell steht in einem Kasten mit Rädern.
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Bild: sophie
 (© Eckdose)

Palantir: Wer Der Herr der Ringe gelesen oder gesehen hat, dem kommt dieser Name bekannt vor. Der Autor Tolkien nannte die Steine so, mit denen Sauron, das personifizierte Böse, weit über das eigene Territorium hinaus kommuniziert und spioniert.

Nach diesen Gegenständen hat der deutsch-amerikanische Demokratiefeind Peter Thiel sein Technik-Unternehmen benannt. Dessen Software „Gotham“ – benannt nach der „düsteren Stadt der grauen Schatten“ aus dem Batman-Universum – möchten deutsche konservative Länderregierungen für die Polizeiarbeit einkaufen. Im Frühjahr diesen Jahres handelte Bayern einen Vertrag mit Palantir aus. Auch das CDU-geführte Innenministerium Baden-Württembergs schloss sich dem Vertrag an und unterzeichnete ihn. Das geschah eigenmächtig, ohne den Senior-Partner der Koalition, die Grünen, einzubinden.

Nachträglich will die baden-württembergische Landesregierung den Kauf und Einsatz legitimieren. Denn eine Gesetzesgrundlage besteht bislang nicht, um die Software überhaupt einsetzen zu dürfen. Die Landtagsfraktion der Grünen will nun Anfang November einem Polizeigesetz zuzustimmen, mit dem Palantir erlaubt sein soll.

Blick auf eine Bühne, dort spricht links unten ein Redner. Hinter der Bühne ein Banner: Wir können alles. Außer Sicherheit. Baden-Württemberg. Vor der Bühne sind Menschen mit Regenkleidung von hinten zu sehen. Darüber Flagge mit Pink und Grün auf Schwarz: Nerds gegen Nazis sowie eine Antifa-Fahne.

Bild: sophie
 (© Eckdose)

Am gestrigen Samstag beteiligte ich mich auf dem Stuttgarter Schlossplatz an einer Demonstration von Computer-Expert*innen, Grundrechts-Bündnissen und Vertreter*innen der Parteien Piraten, Linke, SPD sowie Grüne mit Haltung. Ausführliche Informationen bietet die Aktions-Website „Kein Palantir in Baden-Württemberg“.

Dort lassen sich alle Probleme nachlesen, die bei Menschen, denen das Grundgesetz und eine freiheitlich-demokratische Ordnung etwas wert sind, erschrocken einen Widerstand auslösen. Für alle Lesenden greife ich die Punkte auf, die mich an der Demonstration haben teilnehmen lassen:

Palantir ist in Deutschland illegal. Unter anderem weil es Dinge zusammenführt, die nicht zusammengehören, weil die Software mit unzuverlässigen Daten vorverurteilt und weil sie gegen die informationelle Selbstbestimmung verstößt. Ihre Funktionen verstoßen gegen das Grundgesetz. Deswegen gibt es bisher auch kein vergleichbares einheimisches Produkt. Wie die Funktionen genau funktionieren, behält der US-amerikanische Anbieter für sich. Nur seine Leute dürfen deshalb auch den Einsatz der Software warten.

Eine Software wie aus einer Dystopie

Palantir Gotham führt alle Daten, die die Polizei hat, zusammen und verknüpft sie mithilfe Künstlicher Intelligenz. Diese Daten werden mehr, weil derselbe Gesetzesentwurf auch vermehrten Einsatz von Kamera-Überwachung im öffentlichen Raum ermöglicht. Man erhofft sich so, verdächtiges Verhalten zu erkennen, ehe es zum Verbrechen kommt. Jeder Science-Fiction-Fan wird jetzt erschrecken. Alle, wirklich alle Gesellschaftsmodelle, die Verbrechensaufklärung im Vorfeld beschreiben, sind zwangsläufig Dystopien. Minority Report macht das Problem sowohl in Philip K. Dicks Kurzgeschichte als auch in der Verfilmung hautnah erlebbar.

Die Daten, die Palantir verknüpft, sind alle Daten. Du hast mal ein Verbrechen gemeldet, hast dich vor zehn Jahren bei einem Post auf Facebook etwas von deiner Wut leiten lassen, siehst aus wie ein Kleinkrimineller, hast eine Meldeadresse in einem sozialen Brennpunkt oder bist oft umgezogen, trägst zufällig denselben Vor- und Nachnamen wie eine vorbestrafte Person? Dann ist es für die Künstliche Intelligenz wahrscheinlich, dass du ein Verbrechen begehen könntest. Willkommen im Visier der Überwachung.

Daten sind unzuverlässig – und du kannst sie nicht kontrollieren.

Nicht so schlimm, wenn man sich nicht seltsam verhält? Versuch mal, dir dein Profil allein aufgrund deines Namens von Perplexity oder Mistral Le Chat mithilfe einer Internetsuche erstellen zu lassen. Ich habe es gemacht. Angeblich betreibe ich einen florierenden Holzhandel in Norddeutschland, bin Möbel-Restaurator in Berlin, gebe die Uwe-Johnson-Jahrbücher heraus, habe einen Kleinverlag und arbeite gleichzeitig als agiler Wissenschaftsmanager in Stuttgart. Welche Biografie – und ich habe Glück, dass meine Namensvetter alle so erfolgreich sind!

Angeblich kauft das Innenministerium Baden-Württembergs Palantir Gotham ohne ihre KI-Funktionen. Das wäre dann einfach nur eine riesige Datenbank. Dafür dieses Produkt aus den USA zu kaufen ist unwirtschaftlich, unlogisch und langfristig gesehen unglaubwürdig.

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Uli in Gesellschaft am 05.10.2025 um 14.11 Uhr

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