Zur Startseite Eck.Dose

Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

Der Blog des Goldseelchen-Verlags

Erkenntnisse aus Stevensons Novelle

Hyde wächst Dr. Jekyll über den Kopf


Für eine größere Ansicht anklicken.
Bild: Uli
 (© Eckdose)

Seite 2 von 3

Nach etlichen Tagen holt der Diener Jekylls Utterson zur Hilfe: Von Jekyll ist nichts mehr zu hören oder zu sehen, stattdessen treibt sich ein Fremder in dessen Räumen herum. Utterson erkennt dessen Stimme als die Hydes. Schließlich brechen sie die Türe ein, wo sie nur Hyde finden, der sich direkt das Leben nahm. Er trägt die viel zu großen Kleidungsstücke Jekylls – von dem aber jede Spur fehlt. Aus Briefen Dr. Jekylls und Dr. Lanyons erfahren die Lesenden schließlich, was es mit dem seltsamen Fall Dr. Jekylls auf sich hatte: Ihm war es gelungen, mithilfe einer chemischen Droge seine bösen Persönlichkeitsteile abzuspalten und als Mr. Hyde zu verkörpern. Durch die Droge konnte er die Gestalt wechseln. Doch mit der Zeit geriet die Verwandlung aus den Fugen, immer öfter wurde Jekyll zu Hyde, ohne es zu wollen. So kam es auch dazu, dass Dr. Lanyon Zeuge der Verwandlung – von Hyde zurück zu Jekyll – wurde und über diese Erfahrung nicht mehr wegkam. Am Ende gelangte Jekyll nicht mehr an die Inhaltsstoffe seiner Droge und verharrte im Hyde-Zustand.

Die Eindrücke

Literarisch wie inhaltlich finde ich die Geschichte sehr gut komponiert. Es gelingt Stevenson, die Spannung zu steigern und immer wieder Momente des Unerhörten und des Rätselhaften zu schaffen. Durch die Figur des Utterson in der dritten Person bleibt ein sicherer Abstand, um nicht ins Schaudern hineingezogen zu werden, gleichzeitig ist so viel Nähe da, dass sich Lesende mit ihm wundern. Der Abschiedsbrief aus den Hinterlassenschaften Jekylls wird direkt in die Novelle eingebunden. Daraus erfahren wir aus erster Hand von wissenschaftlichen Interessen an der menschlichen Seele, von den Erfahrungen mit abgespaltener Bosheit und der Enttäuschung, dass der Jekyll-Anteil weiterhin Gut und Böse in sich trägt.

Kleine Nebenbeobachtung: Dass mit Drogen die Welt physisch verändert wird, kenne ich aus Science-Fiction-Geschichten der 1950er bis 1970er Jahre. Genauso begegnen auch multiple Persönlichkeiten als Thema. Hätte nicht Robert L. Stevenson seine Novelle im zwielichtigen London des 19. Jahrhunderts spielen lassen, Philip K. Dick oder Daniel F. Galouye hätten diesen seltsamen Fall auch erfinden können und auf eine Parallelwelt oder einen fernen Planeten gelegt. Es wären vielleicht noch ein paar wissenschaftlich klingende Erklärungen mit Quantenstruktur eingeflossen, doch abgesehen von der alten Sprache ist der Plot mit dem schiefgegangenen Experiment Science Fiction.

Weitere Nebenbeobachtung: Dr. Jekyll hat zwar mit Mr. Hyde einen abgespaltenen Persönlichkeitsanteil. Doch ist er sich dessen bewusst, was Hyde tut. Er kann als Hyde mit Jekylls Handschrift Briefe schreiben, chemische Experimente durchführen und erkennt nur an seiner äußeren Erscheinung, ob er gerade Hyde oder Jekyll verkörpert. Nur sprachlich distanziert er sich von Hydes Tun, indem er von ihm in dritter Person spricht: „He, I say – I cannot say, I.“ Es ist keine Person mit dissoziativer Identitätsstörung!

Artikel-Seite:
123

Uli in Literatur am 23.08.2025 um 14.24 Uhr

Werkzeuge:  |  

Auch ansehen:

Kommentar verfassen

 

Die Felder mit * sind verpflichtend.

Redaktionelle Prüfung: Wir bitten um Dein Verständnis, dass wir die Kommentare vor Veröffentlichung prüfen.

Datenschutz-Hinweis: Alle Daten, die in dieses Formular eingetragen werden, können auf dieser Seite als Einträge angezeigt werden. Zusätzlich werden IP-Adresse und Zeitpunkt der Übermittlung in einer Datenbank gespeichert, um im Falle strafrechtlich relevanter Eintragungen die Herkunft nachweisen zu können.